Die Everglades, auch Grasfluss genannt. Wasser aus dem Okeechobee See fließt in 60km Breite bis in die Südspitze Floridas. Größten Teils nur wenige Zentimeter tief. Mit dem Auto kann man auf den wenigen Straßen fahren und sieht stundenlang nichts als hohes Gras, ab und zu ein paar Bäume… Es gibt immer wieder Möglichkeiten zum Anhalten, ein paar Meter in das Marschland zu laufen und man kann auf erhöhten Ausgucken die Gegend ansehen und die Tiere; vor allem natürlich interessant: Alligatoren. Der westliche Teil der Everglades wird wassermäßig nicht von dem See gespeist sondern vom Regen. Das bedeutet auch, dass die Vegetation hier anders ist, vor allem wachsen hier auch Bäume. Sumpfzypressen und Königspalmen, riesige wilde Orangen, wilder Kaffee… Mir gefällt es besser als in der Grasgegend. Über den Winter hat es hier so wenig geregnet wie schon lange nicht. Es brennen viele Feuer auf den Flächen, weite Teile sind total ausgetrocknet.
In so einem Teil waren wir gestern unterwegs, haben eine sogenannte „Dry-walking-Tour“ gebucht. Morgens um 9, nur wir zwei. (Gerne hätten wir die Wet-Tour gemacht. Moksha braucht dazu allerdings eine Wathose, damit ihre Haut nicht mit dem Wasser in Berührung kommt – nächstes Mal…)
So treffen wir nach 2 Stunden Autofahrt Sam auf einem Parkplatz, machen uns auf den Weg in einen Teil des Parks, der nicht Teil des Nationalparks ist. Hören Infos über die Geschichte, Tiere und und und. Und hören mit, wie Sam zwei Menschen die nach dem Weg fragen erklärt, dass es unbedingt wichtig ist einen Kompass dabei zu haben, wenn man in den „Busch“ geht, weil man sich bereits nach 10m total verirren kann. Zum Glück sind wir ja nicht alleine …
„Are you ok with moscitos?“ Was für eine „blöde“ Frage, wer ist damit schon ok? Ich bestimmt nicht, aber: What to do? Wir waren mit einem Netz für den Kopf und langer Kleidung ausgerüstet. Nach der Frage habe ich mich noch eingesprüht. ABER – Soooooooo viele scitos auf einmal! Lange Kleidung und Spray hat sie nicht gekümmert. Au weia. So laufen wir also auf einem Trail ins Gebüsch, entlang alter „Schienenanlagen“. Hier wurden früher die gefällten riesigen Sumpfzypressen ´raustransportiert (auf dem Google-Earth-Foto sind die Wege dunkler zu erkennen, weil hier Königspalmen wachsen…). Ich habe vom Drumherum nicht soviel gesehen, weil ich mich sehr darauf konzentrieren musste, wo ich hintrete. Außerdem das Moskitonetz vor den Augen und immer mit im Kopf, dass eigentlich überall Schlangen liegen können. Und immer schön mit den Armen wedeln, damit die Moskitos nicht sitzen bleiben. Das es in den Tropen warm ist, ist ja eh klar… Auch wenn ich sehr beeindruckt war, hoffte ich heimlich, dass wir nicht so sehr lange laufen…
Nach ca. einer Stunde sind wir vom Trail „abgebogen“, eine Möglichkeit die man nicht so häufig hat, weil hier sonst fast immer Wasser steht. Wie hoch, ist gut an den Luftwurzeln der Zypressen zu erkennen, die wachsen nämlich immer bis über das Wasser. Viele waren Kniehoch… Sam erzählte und erzählte, machte zweimal ein pinkes Bändchen ans Gebüsch, zeigte hier riesige uralte Baumstämme, da interessante Steine, die sonst unter Wasser sind und „stellt euch mal vor die Holzfäller damals“, „damn moscitos, they are really many today“, usualy we never leave the trail – ähhhhhm, wo waren noch gleich die Bändchen? Waren wir hier nicht eben schon mal? HALLO? Du hättest mir vorher sagen können, das es wichtig sein könnte mit darauf zu achten wo wir sind… Meine Orientierung ist super und ich kann mich an die meisten Steine, Bäume und Zeugs auf dem Boden erinnern! Aber doch nicht, wenn ich mich auf wen anderes verlasse der sich auskennen sollte und schon gar nicht wenn ich dann auch noch damit beschäftigt bin meine Füße heile und mir Moskitos vom Leib zu halten. Die pinken Bändchen fanden wir nicht wieder. Und trotz meines eindeutigen Gefühls, dass dieser Guide sich nicht so auskennt wie ich es erwartet habe, habe ich mich nicht ein- und durchgesetzt, dass wir so lange suchen, bis wir die Bändchen finden. Sam wusste, wenn wir nur immer nach Norden oder Süden gehen, müssen wir auf einen der „Eisenbahnwege“ treffen. Die gibt es alle 1,6 Meilen, unter anderem an den sehr hohen Palmen zu erkennen. Hörte sih logisch. Also gut… Aber in trockenem Sumpfgebiet kann man nicht einfach so geradeaus nach Norden oder Süden gehen. Logik funktionierte nicht so wirklich. Menschenhoher Farn, bramble (Gebüsch), Restsumpf… Ok, genug von Norden oder Süden, jetzt nur noch nach Osten, dann kommen wir auf die Straße. Nach Osten war aber ganz viel „bramble“. Außerdem gab es so vines mit evil thorns, also so was wie „Lianen mit Dornen“… Es wurde immer deutlicher, dass wir wirklich völlig lost waren. Trotz Kompass, es fand sich kein Ausweg. Nach zwei Stunden durchs Gebüsch kriechen wurde mir zeitweise sehr unheimlich. Meine Füße und Gelenke wurden immer wackeliger und schmerzender, Moksha sah völlig fertig aus – ausruhen bzw. stehen bleiben war aber keine wirklich gute Idee; die Moskitos waren gnadenlos. Das Gefühl Sam als Guide nicht vertrauen zu können, ließ immer mal wieder starke Verzweifelung spüren. Allerdings ganz vernünftig gedacht konnten wir ja tatsächlich nicht so weit von der Straße weg sein. Mokshas aufmunternde Unterhaltung mit Sam wurde weniger, immer öfter blieben wir mit den Moskitos auf einer Stelle, Sam versuchte einen Weg zu finden. Auch das war unheimlich, weil schon bei Momenten außer Sichtkontakt sofort deutlich wurde, dass wir so auch noch den Kompassträger verlieren könnten. Das durfte gar nicht passieren… Wir versuchten den „brambel“ zu umrunden. Es wurde still unter uns. Eine Mischung von Verzweifelung und Schmerz trieb mir Tränen in die Augen. Damit ließ sich noch schlechter laufen, weil alles verschwommen. Moksha war schon länger um mich „besorgt“, hat sie doch schon öfter miterlebt, dass ich von einen auf den anderen Moment nicht mehr laufen kann. (Umgekehrt genauso…). Für sie ein weiteres Zeichen, dass was nicht stimmt: Elke macht keine Fotos mehr! Something is wrong! Das einzige Mal, dass ich die Kamera in dreieinhalb Stunden ausgepackt habe war, als wir plötzlich neben einer „Cottonmouth“ standen. Einer sehr giftigen Schlange, aber nicht angriffslustig. Der sehr große Alligator, der ein paar Meter weiter in einem Restwasserloch lag, war mir so ungeheuerlich, dass ich lieber weiter ging. Wohin auch immer…
Dann die Entscheidung: „We have to go to the bramble, no matter what.“ Das bedeutete durch den Farn, der so hoch war wie wir, Stachelbüsche und Lianen, dichte Büsche, Löcher, Spinnennetze, mögliche Schlangen… Und dann wurde Sam gaaaanz langsam. Dass der fast 70jähre schlapp macht, auf die Idee war ich bis dahin noch gar nicht gekommen. Er sah nicht gut aus, saß etwas apathisch im Gebüsch. Der Arme, hatte er doch Verantwortung uns in diese Situation gebracht zu haben, er wusste von unseren „special needs“ und nun konnte er selber nicht mehr. Das war der Moment, an dem ich plötzlich alle Kräfte wieder hatte. Es würde uns ja sowieso keiner retten kommen. Moksha und ich kämpften uns mit aller Kraft und ohne einen Meter von Richtung Osten abzuweichen durchs Gebüsch. Kämpfen mit bloßen Händen war hier ziemlich wörtlich zu nehmen… Bis ich wirklich und tatsächlich so was wie einen weißen Strich hinten im Gebüsch sah – die Schotterstraße. Was für eine Riesenerleichterung. Plötzlich alles wieder gut, wir hatten es geschafft.
Aus einer zwei Stunden „Abenteuerwanderung“ wurden fünf Stunden, von denen wir vier Stunden den Weg aus dem Trockensumpf gesucht haben. Eine weitere sehr besondere gemeinsame Erfahrung, die weit über alle Grenzen hinausging… Fast die ganze Zeit habe ich gedacht: Wenn wir hier wieder draußen sind, wird das eine unvergessliche Erfahrung sein. Wir haben zunächst unbeeindruckt unseren Tagesplan weitergeführt: Kaffee, Tee und Kuchen in Naples, eine Stunde away.
Moksha hat uns nach Hause gefahren. Noch einmal zwei Stunden. Das riesige Feuer direkt am Highway haben wir beeindruckt zur Kenntnis genommen…
Wieder zu Haue konnte Moksha ihr Zählen auf deutsch üben: über 100 Moskitostiche auf meinem Körper. Auf ihrem: keiner zu sehen. Wie kann das sein? Mokshas Idee: „Possible that they suck in my immunsupression drugs as soon as they bite me and than they die.“ Einmal mehr: Moksha ist durch kaum etwas aus der Ruhe und ihrem Humor zu bringen.
Falls ihr die beiden Kartenfotos sehen könnt (mein Computer kann es nicht, das Handy schon: der roten Pfad den ich eingezeichnet habe ist ein möglicher Pfad den wir gegangen sind – so oder so ähnlich hat es sich angefühlt…)
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