Unser Reiseführer gibt keine Übernachtungsempfehlungen für Sillamäe, weil die radioaktiven Abfälle früher in die Seen der Umgebung gekippt wurden. Der Rest liegt unter einem Betonberg am Hafen. So fanden wir einen „Stehplatz“ kurz vor der Grenze. Es heißt Laagna Hotel. Wir versuchten es gerade gemeinsam zu beschreiben: Design wie vor vor mehr als 30 Jahren, sieht billig aus aber ist es irgendwie auch nicht, sehr schlicht, simpel. Mhhh. Das war der Eindruck von der Rezeption. Da mussten wir ja nur rein, um unseren Stellplatz zu organisieren. Aber zunächst war da gar niemand. Und die, die dann irgendwann war, war nur halb hilfreich. Und nicht nur wegen der Sprache. Die Informationen waren nicht alle verständlich, es gab kein Wechselgeld – aber, kurz darauf standen wir auf einem Rasenplatz neben dem Schwimmbad. Im Schwimmbad gab es Dusche und Toilette und Moksha war tief beeindruckt vom Design des Bades. Ich dachte: ziemlich altes Schwimmbad – könnte so in meiner Teenagerzeit in Deutschland gestanden haben und vielleicht auch heute noch so, irgendwo eher ländlich.
Das beste an der Übernachtung dort war, dass wir eine Familie aus Berlin kennengelernt haben. Und endlich – wie Moksha sich gewünscht hatte, eine halb „weiße Nacht“ (zu dieser Zeit wird es hier nicht dunkel) draußen verbracht haben, quatschend vor dem Van. Endlich konnten wir uns austauschen über unsere Erfahrungen hier von „irgendwie langweilig bis die Menschen sprechen nicht mit uns bzw. scheinen uns zu meiden“. Und – die alten „SowjetPlätze“. Wir sprachen von den gleichen Dingen…
Und wir hörten die Geschichten von dem 24 Stunden Visa für Russland. Wow, plötzlich spinnen wir an der Idee für einen Tag nach St. Petersburg zu fahren. Also sind wir ganz mutig nach Narva bis an die Grenze gefahren, haben uns in die Schlange gestellt bis wir gemerkt haben: das ist auf jeden Fall die falsche Schlage, weil hier Pässe zu Einreise kontrolliert werden. Mh. wieder raus, bei der Touristeninformation gefragt und da gab es die Antwort: Keine Chance, die lassen keinen mal so eben rein, ein Visum zu beantragen dauert so 3-4 Tage. Das war so überzeugt mehrfach gesagt, dass wir unsere Idee wieder aufgaben. Schade. Aber nun haben wir Reisepläne für das nächste Jahr 🙂
In Narva gibt es eine Festung von der man eine Festung auf der russischen Seite sehen kann. So haben wir uns dann ein wenig Russland von Weitem angesehen. Und – endlich haben wir Frauen am Straßenrand stehen sehen, die Beeren, Kräuter, Zwiebeln, Zucchini… verkaufen. Die sprachen auch mit uns. Russisch natürlich. Ok, ein Bund Frühlingszwiebeln bitte! Wie bitte? 6€? Das ist jawohl ein viel zu teuerer Touristenpreis. Das kann doch gar nicht sein. Ich gab ihr zwei Euro. Daraufhin gab sie uns noch 2 Bunde Minze und Dill – so viel wie wir gar nicht wollten (Moksha konnte sehr überzeugend mit Händen und Füßen erklären wie wenig ich Minze mag und was mit meinem Bauch passiert wenn ich es doch esse…) – weil, die Zwiebeln kosteten nur 60ct. Ach so. Das ist ja super günstig, also hier bitte: 1€. Das ging irgendwie auch nicht, wir mussten dann doch Dill mitnehmen… Na gut. Dann die Dame nebenan. Sie verkaufte kleine Eimer schwarze Johannisbeeren, schupp war der Eimer in einer Tüte. Äh Moment bitte, ich möchte nur einen halben! Hääääää? Ja wirklich, nur die Hälfte bitte. Ratlosigkeit – halbe Eimer stehen scheinbar nicht zum Verkauf. Ich schüttete Beeren um, die Alte wurschtelte mit ihren Händen in den Beeren und schwupp, hatte ich wieder VIEL zu viel in der Tüte. Auch hier kam Moksha als Rettung dazu. Sie hat einfach so lange viel geredet, bis die Alte aufgegeben hat und wir ungefähr einen halben Eimer in der Tüte hatten. Puh.
Als wir ein paar Straßen weiter mehrere Stände mit Beeren sahen mussten wir sofort wieder anhalten: Walderd-, Stachel-, schwarze – und Himbeeren – toll. Die waren in Gläsern, das war einfach. Wir haben alles in einen Korb geschüttet – 7€! Waaaas? Englisch, Deutsch und Russisch alle Sprachen neben- und durcheinander – der 5€ Schein blieb aber zu wenig. Inzwischen waren 5 Frauen in laute Diskussionen und Fingerzeigereien untereinander verwickelt – wahrscheinlich fanden sie den Touripreis ihrer Kollegin auch unverschämt. Nach einigen Minuten wurde der 5€ schein akzeptiert. Moksha wollte noch mutig ein Glas mit was Rotem drin kaufen. Irgendwas mit Tomate. Ich sah das Fleisch darin. Unsere Fragen nach: Määhhhh? Muhhh? Hgrrrrr hgrrrr? konnte schnell mit hgrrr hgrrrrrr beantwortet werden und da wir kein Schweinefleisch essen gab es kein Glas mit was Rotem. Dann kam uns noch die Idee, das wir den Frauen was von den Süßigkeiten anbieten könnten, die wir eigentlich eher für Kinder gedacht hatten oder andere Menschen, die wir vielleicht irgendwo auf dem Land kennen lernen. Aber – das hat ja bis jetzt nicht stattgefunden. Also kamen wir mit unserem Beutel Süßkram zurück. Die Frauen waren völlig aus dem Häuschen und schienen oberglücklich mit den Schokotäfelchen, Weingummitütchen und Brausebeutelchen. So gerne hätten wir verstanden mit welchen Dankes- und was auch immer Bekundungen die Frauen uns überschüttet haben. SCHDRASWUDJE was besonders auffällig. Annke hat uns per Handy erklärt, dass das Danke heißt.
Unsere Reise an die russische Grenze endete in einem Badeort, der schon seit vielen Jahren als solcher genutzt wird.
Endlich haben Moksha und ich Abenteuer gefunden, die und ganz und gar begeistern. Wir freuen uns auf weitere dieser Art.
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